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Lesung Rolf Börjlind in der
Buchhandlung "Leuenhagen & Paris"
Am 15.03.16 war der
schwedischen Bestseller-Autor Rolf Börjlind in
der Buchhandlung "Leuenhagen
& Paris" zu Gast mit dem neuen
Thriller "Die Strömung". Die Moderation übernahm
Antje Deistler,
den deutschen Part las der Schweizer Schauspieler Roeland Wiesnekker.
In den Wäldern von Skåne im südlichen Schweden wird ein kleines Mädchen Opfer eines bestialischen Verbrechens. Zwei Tage später der zweite Kindermord, diesmal in der Nähe von Stockholm. Schnell fällt der Verdacht auf eine rassistische Sekte, die die Eltern zuvor offen bedroht hat. Aber ist es wirklich so einfach? Und weshalb tauchen gerade jetzt Hinweise auf einen cold case auf, den Mord an einer hochschwangeren Edelprostituierten, der niemals aufgeklärt wurde? Olivia Rönning und Tom Stilton ermitteln.
Cilla und Rolf Börjlind gelten als Schwedens wichtigste und bekannteste Drehbuchschreiber für Kino und Fernsehen. Sie sind unter anderem verantwortlich für zahlreiche Martin-Beck-Folgen sowie für die viel gepriesene Arne-Dahl-Serie. Ihr Markenzeichen sind starke Charaktere und eine stringente Handlung. „Die Strömung“ ist der dritte Teil der Serie um die junge Polizistin Olivia Rönning und den ehemaligen Kriminalkommissar Tom Stilton.
Antje Deistler, 1965 geboren, studierte Germanistik, Theater- Film- und Fernsehwissenschaft und Politik an der Universität Köln. Nach journalistischen Arbeiten beim „Kölner Stadtanzeiger", verschiedenen ARD-Sendern und bei EinsLive, arbeitet sie seit 1999 als freie Hörfunk- und TV-Journalistin. Im Wechsel mit Christine Westermann gibt Antje Deistler sonntags Buchtipps auf WDR 2.
Roeland Wiesnekker ist ein Schweizer Film- und Theaterschauspieler mit niederländischen Wurzeln.
Er spielt gerne schräge Typen: Drogenabhängige, Psychopathen - kaum mal eine glatte Charaktere.
Ein absolutes Highlight war seine Darstellung des Mörders im Spreewaldkrimi „Mörderische
Hitze“, für die er mit dem Deutschen Fernsehpreis 2014 ausgezeichnet wurde.
Aktuell ist er als Chef im neuen Frankfurter "Tatort"
zu sehen.
Eingeladen waren das Autorenpaar Cilla und Rolf Börjlind mit dem neuen Kriminalroman "Die Strömung".
Leider war Cilla Börjlind
erkrankt, so daß nur Ehemann Rolf
auf dem Podium saß und sich den
Fragen der Moderatorin Antje Deistler
stellte. Aber auch so ergab sich ein
unterhaltsamer und informativer Abend,
bei dem so interessante Fragen
geklärt wurden,
wie
- Woher stammt eigentlich der selbst für Schweden seltsame Name Börjlind
?
"Schuld" war der Großvater, ein Zimmermann, der
irgendwann beschloß, nicht länger "Svensson" heißen zu
wollen, sondern sich den Namen Börjlind zuzulegen:
"lind" ist wie im Deutschen die Linde und
"Börj" könnte vom schwedischen Verb "börja"
stammen (anfangen, beginnen). Der Name führt auch in Schweden immer
wieder zu Nachfragen und Buchstabieraktionen.
- Warum die beiden Autoren nach jahrelanger Drehbucharbeit nun mit dem Schreiben von
"echten" Büchern begonnen
haben ?
Die Idee, den Traum hatten die Autoren schon vor einigen
Jahren, konnten sie aber mangels Zeit noch nicht verwirklichen.
Schließlich wurde es ihnen langweilig, immer nur "fremde"
Romane in Drehbücher umzuschreiben, sondern die Börjlinds wollten
eigene Geschichten kreieren und so die volle Kontrolle über die
gesamte Arbeit behalten.
Warum das Buch im Deutschen
"Die Strömung" heißt ?
Der Originaltitel ("Svart
gryning"), also etwa "Schwarzes Morgengrauen" war im
Deutschen schon belegt (also nicht wie so häufig üblich das
Ergebnis der gruseligen deutschen Titelwahl - siehe Verblödung,
Verdoofung, ...)
Man hatte sich offenbar vorher bei Reimann gestärkt und sich über die
wohlwollende Kritik in der HAZ vom 12.03.16 gefreut. Dabei wunderte
sich Rolf Börjlind darüber, dass in Deutschland Kriminalromane im
Feuilleton großer Tageszeitungen besprochen würden, das wäre in
Schweden nicht üblich. Was wiederum Moderatorin Antje Deistler (und
wohl auch viele Anwesende) verwunderte, das im sonst so
fortschrittlichen Schweden derartiges Schubladendenken herrsche.
Wie die Autoren die Charaktere der Roman angelegt haben ?
Den Autoren war es langweilig, Kriminalromane der üblichen Art zu
schreiben (sie hatten allein 26 Beck-Filmdrehbücher und zahllose
andere Filmmanuskripte verfasst), wollten also keinen Fall wie so
viele andere kreieren: ein Toter, ein Mord, eine Polizeistation, ein
Team der Mordkommission ermittelt. Die vier Haupt-Charaktere sollten
sehr komplex und außergewöhnlich werden und so Entwicklungsmöglichkeiten
bieten, da die Geschichte sich über wenigstens 3 Bücher erstrecken
sollte. So können neue Informationen über die Personen nach und
nach präsentiert werden.
Die Hauptperson Olivia Rönning sollte keine extreme Heldin werden
wie Lisbeth Salander (Millenium-Trilogie) oder Saga Norén (Die Brücke),
sondern ein ganz normales, einfaches Mädchen, die noch als
Schülerin die Polizei-Akademie besucht.
Extremer Kontrast ist Tom Stilton, ein ehemaliger Polizist, der physisch und psychisch ausgebrannt den Dienst verlässt und als Obdachloser am unteren Rand der Gesellschaft
landet (im ersten Band).
Abbas el Fassis ist ein Croupier mit marokkanischen Wurzeln,
aufgewachsen im kriminellen Milieu von Marseille, inzwischen aber
"sauber", der aber immer noch gut mit Messern umgehen
kann.
Mette Olsäter, die "echte" Polizistin der Geschichten bei
Rikskrim, hatte vor Tom Stiltons Zusammenbruch lange mit Tom zusammengearbeitet.
Dann noch Minken- der Nerz, ein für Rolf Börjlind sehr
interessanter Charakter, über den zu schreiben Spaß macht, ein
Informant, klein gewachsen, aber mit großem Herz, der komische
"sidekick".
Wie wichtig überhaupt Humor für die Geschichten (und für die Autoren beim
Schreiben) ist. Interessant war zu hören, das die Figur des etwas
eigenartigen Nachbarn von Martin Beck (der komische
"sidekick" der Kommisaar-Beck-Filme) anfangs gegen den
Widerstand der ZDF-Redaktion eingebaut worden ist. Jetzt hat der
Nachbar einen eigenen Fan-Club in Schweden.
Über die TV-Verfilmung des ersten Bandes "Die Springflut": es
wird eine TV-Serie mit komfortablen 10 Folgen zu 45 min. Das hatte
die unerwartete Folge, dass die Autoren nun zusätzliche Szenen für
die Filme schreiben mussten, anstatt wie sonst üblich Handlungsstränge,
Nebenhandlungen und Personen streichen zu müssen, um ein Buch in
einen 90 min. Film zu pressen. Die Serie wird Anfang 2017 im ZDF zu
sehen sein.
Wie denn die gemeinsame Arbeit der Autoren an einem Buch aussieht ?
Am Anfang stehen zahlreiche Gespräche und Diskussionen der Börjlinds,
bis endlich der Handlungsbogen feststeht. Dann werden die
Handlungsteile jeweils in einem Satz auf einen Zettel geschrieben
und die zahllosen Zettel an eine Wand gepinnt. Jeder nimmt sich
einen Zettel mit dem Handlungstrang oder den Charakter, den er gerne
beschreiben möchte und verfasst die Abschnitte, bis alle Zettel
verbraucht sind. Die Szenen werden dann gegengelesen und korrigiert.
Schließlich wird das vollständige Buch dann noch 2 bis 3 mal
komplett überarbeitet, um eine gemeinsame Sprache, einen
einheitlichen Ton entstehen zu lassen. Das scheint ein anstrengender
und stressiger Arbeitsprozeß mit vielen Streits und Diskussionen zu
sein, aber die Autoren sind über 25 Jahre verheiratet und schreiben
immer noch gemeinsam (Dreh)bücher, also scheint es ja zu
funktionieren.
Tipp für die Zuhörer, die die ersten beiden Bände noch nicht kennen: sie
sollten unbedingt mit diesen beginnen. Die Geschichten sind zwar in
sich abgeschlossen, aber die Charaktere entwickeln sich weiter und
viele Informationen über die handelnden Personen werden erst im
Laufe der Bücher gegeben. Tatsächlich haben sich dann einige Zuhörer
die ersten Bände gekauft und signieren lassen.
Wie
es mit Olivia Rönning und Tom Stilton weitergeht ?
Der vierte Band ist gerade fertig geworden und an den Verlag
gegangen.
Antje
Deistler bewunderte die Lesung von Roeland Wiesnekker. Der
habe in seinem Skript sogar die Stellen markiert, an denen er einen
Schluck Wasser trinken wollte.
Der
nächste Frankfurter Tatort mit Roeland Wiesnekker wird bald
im TV zu sehen sein.
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